Erkennungsdienstliche Behandlungen und die Erstellung von DNA-Profilen werden in der Praxis oftmals routinemässig angeordnet, sobald die Ermittlungen aufgenommen werden. Das Schweizerische Bundesgericht hat den Ermittlungsbehörden in einem Urteil, das am 23. Dezember 2014 publiziert wurde, diesbezügliche Grenzen gesetzt. Mit Urteil vom 23. Februar 2016 hat das Bundesgericht die kantonale Polizei im Zusammenhang mit der Erstellung eines DNA-Profils ein weiteres Mal in die Schranken gewiesen. Das Bundesgericht kritisierte die routinemässigen erkennungsdienstliche Erfassung sowie die DNA-Entnahme und Erstellung eines DNA-Profils, soweit dies weder für die Aufklärung der Anlasstat zwingend nötig ist noch ein hinreichend erhärteter Verdacht besteht, dass die Person künftig ein Vergehen oder Verbrechen von einer gewissen Schwere begehen könnte. Das höchste Gericht stellte zudem klar, dass DNA-Proben nur noch abzunehmen seien, wenn eine Auswertung wahrscheinlich sei. Die bedeutsamen Urteile halten Polizei und Staatsanwaltschaft an, beim „Sammeln“ von DNA-Proben aus präventiven und ermittlungstechnischen Gründen mit Augenmass vorzugehen und wichtige Grundsätze einzuhalten.
Was ist die erkennungsdienstliche Behandlung?
Die erkennungsdienstliche Behandlung kann verschiedene Massnahmen beinhalten. Ein wichtiger Bestandteil ist oftmals die Abnahme von Finger-, Hand-, Ohren- Fuss- und Gebissabdrücken. Als erkennungsdienstliche Behandlungen gelten auch Wangenschleimhautabstriche sowie Abdrücke weiterer für die Personenidentifizierung geeigneter Körpermerkmale.
Erkennungsdienstliche Behandlungen – also beispielsweise die Abnahme eines Wangenschleimhautabstrichs oder eines Fingerabdrucks – stellen Eingriffe in die persönliche Freiheit dar. Sie sind daher nur bei Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage und einem öffentlichen Interesse zulässig. Zudem ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten.
Was ist ein DNA-Profil?
Ein DNA-Profil beinhaltet genetische Informationen über eine bestimmte Person (sog. genetischer Fingerabdruck). Das DNA-Profil wird im DNA-Informationssystem des Bundes registriert. Wird ein DNA-Profil einer bestimmten Person registriert, wird dieses mit bereits registrierten Profilen von Unbekannten verglichen. DNA-Profile von Unbekannten gelangen in die Bundesdatenbank, wenn die Ermittlungsbehörden beispielsweise an einem Tatort oder Tatgegenstand Spuren sichergestellt haben. Der Vergleich von verschiedenen DNA-Profilen kann somit zur Aufklärung von Verbrechen oder Vergehen beitragen.
Die Erstellung eines DNA-Profils sowie deren Aufbewahrung bedeuten gleichzeitig, dass bei künftigen Verbrechen während eines bestimmten Zeitraums Tatortspuren abgeglichen werden, um einen möglichen Täter zu identifizieren.
Die Registrierung der DNA in einer zentralen DNA-Datenbank beeinträchtigt (im Gegensatz zur einfachen DNA-Entnahme) das Recht auf informelle Selbstbestimmung in erheblicher Weise. Wird ein DNA-Profil erstellt, bedeutet das immer einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte einer Person. Das DNA-Profil-Gesetz unterscheidet deshalb zwischen der Entnahme einer DNA und dem Anlegen eines DNA-Profils. Im DNA-Profil-Gesetz ist unter anderem genau beschrieben, unter welchen Voraussetzungen der genetische Fingerabdruck einer Person archiviert werden darf.
Wann dürfen Erkennungsdienstliche Behandlungen und die Erstellung von DNA-Profilen angeordnet werden?
Bei Festnahmen wird grundsätzlich immer automatisch eine Erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt. In anderen Fällen kann der Staatsanwalt die Erkennungsdienstliche Behandlung mit DNA-Abnahme und-Auswertung verfügen, wenn der Verdacht auf ein Verbrechen und Vergehen besteht. Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Beschuldigte für weitere Straftaten mit DNA-Spuren in Frage kommt. Solche Anhaltspunkte werden regelmässig bei Gewalttätern mit erheblichem Gefahrenpotential sowie bei Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen im Sexualbereich angenommen. Wird eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr beantragt, hat die Staatsanwaltschaft dem Gericht zudem die Abnahme der DNA zu beantragen.
Das bedeutet im Gegenzug, dass Erkennungsdienstliche Behandlungen und die Erstellung von DNA-Profilen immer dann problematisch sind, wenn sie zur Klärung der unmittelbaren Anlasstat nicht notwendig sind und sich auch nicht mit anderen, möglicherweise begangenen oder noch zu begehenden Straftaten begründen. Das Bundesgericht stellte diesbezüglich in den Entscheiden BGE 7B_718/2014 und BGer 1B_381/2015 klar, dass konkrete Anhaltspunkte notwendig seien, die einen hinreichenden Tatverdacht begründen. Das Gesetz ermöglicht selbst bei einem hinreichenden Tatverdacht nicht in jedem Fall und routinemässig die Entnahme von DNA-Proben, geschweige denn deren Analyse und Aufbewahrung. Erforderlich ist stets die Prüfung des Einzelfalls.
Wie soll ich mich verhalten, wenn ich zur erkennungsdienstlichen Behandlung aufgefordert werde?
Wird nicht ohnehin eine Festnahme verfügt, kommt die Polizei zwecks erkennungsdienstlicher Behandlung oftmals schriftlich auf die Person zu. Sie fordert die beschuldigte Person auf, zwecks ED-Behandlung beim Kriminaltechnischen Dienst zu erscheinen. Gegen die (mündliche oder schriftliche) Anordnung der Polizei kann kein Rechtsmittel ergriffen werden. Die betroffene Person kann jedoch den Vollzug der Anordnung verweigern. In diesem Fall wird durch die Staatsanwaltschaft über die zwangsweise Durchsetzung der erkennungsdienstlichen Erfassung entschieden. Dieser Entscheid ist wiederum anfechtbar.
Bestehen Zweifel an der Rechtmässigkeit entsprechender Anordnungen durch die Ermittlungsbehörden lohnt es sich daher, rechtzeitig rechtliche Unterstützung zu suchen, um (unrechtmässige) routinemässige Ermittlungshandlungen mit einschneidenden Folgen zu vermeiden.
Bei Fragen steht Ihnen in unserer Kanzlei Frau Rechtsanwältin MLaw Denise Wüst gerne zur Verfügung.