Autor: Rechtsanwalt Dr. Rudolf Schwager
Am 1. Januar 2021 tritt im Kanton St. Gallen eine Gesetzesänderung in Kraft, welche vor allem den Besitzesdauerrabatt und die Berechnung des steuerpflichtigen Gewinnes bei einer sehr langen Haltedauer neu regelt. Besteuert wird unverändert die Differenz zwischen dem bei einer Veräusserung erzielten Erlös und den Anlagekosten, bei welchen vom Erwerbspreis bei der letzten steuerauslösenden Handänderung ausgegangen wird. Liegt der massgebende Erwerb mehr als 50 Jahre zurück, so konnte bisher bei den Anlagekosten anstelle der tatsächlichen Kosten der amtliche Verkehrswert vor 50 Jahren mit den seitherigen wertvermehrenden Aufwendungen geltend gemacht werden. Die Praxis hat zu deren Berechnung den sog. Neuwertvergleich zugelassen. Bei langjähriger Besitzesdauer galt bisher nach 15 Jahren ein Rabatt von 1,5% pro volles weiteres Jahr, begrenzt auf max. 30%.
Ab 1. Januar 2021 kann nach der neuen Regelung statt auf den effektiven früheren Erwerbspreis auf den amtlichen Verkehrswert des Grundstücks vor 20 Jahren mit den seitherigen wertvermehrenden Aufwendungen abgestellt werden. Letztere müssen aber mit Belegen nachgewiesen werden; die Berechnung aufgrund des sog. Neuwertvergleichs ist nicht mehr möglich. Gleichzeitig wird der nach 15 Jahren beginnende Besitzesdauerrabatt auf 1% pro volles weiteres Jahr und max. 20% reduziert. Die Änderung der Berechnungsgrundlage bei den Anlagekosten geht zurück auf eine Motion, welche der Kantonsrat im Frühjahr 2016 gegen den Antrag der Regierung gutgeheissen hat. Damit sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass während einer sehr langen Haltedauer seit dem letzten steuerauslösenden Erwerb oft steueraufschiebende Veräusserungen (Schenkung, Erbgang/Erbteilung etc.) erfolgt sind und der aktuelle Verkäufer gar keine Unterlagen darüber besitzt, was vor seinem eigenen Erwerb geschehen ist. Mit der Gesetzesänderung gleicht der Kanton St. Gallen die Regelung in diesem Punkt an an das, was in vielen anderen Kantonen, insbesondere Thurgau, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden, gilt. Die Reduktion des Besitzesdauerrabatts ist demgegenüber eine Zutat der Regierung, welche die Änderung möglichst ertragsneutral machen wollte. Die Mindereinnahmen aus der Änderung im erstgenannten Punkt werden so weitgehend kompensiert mit den Mehreinnahmen aufgrund der generellen Reduktion des Besitzesdauerrabattes. Was die eine Hand gibt, wird also gleich von der anderen Hand wieder genommen. Allenfalls war dies auch der Preis, dass die Änderung bezüglich des massgeblichen früheren Erwerbspreises politisch durchgebracht werden konnte. Der Kanton St. Gallen bleibt damit bei langjährigem Besitz im Vergleich mit den umliegenden Kantonen weiterhin sehr “schmörzelig”. Dort beginnt der Besitzesdauerrabatt bereits nach 4 Jahren (Appenzell Innerrhoden), 5 Jahren (Thurgau) oder 10 Jahren (Appenzell Ausserrhoden). Er beträgt dort
– 2,5% pro weiteres Jahr und max. 50% nach 30 Jahren (Appenzell Ausserrhoden)
– 3,0% pro weiteres Jahr und max. 50% nach 20 Jahren (Appenzell Innerrhoden)
– 4,0% pro weiteres Jahr und max. 72% nach 23 Jahren (Thurgau).
Die Reduktion des Besitzesdauerrabatts trifft im Kanton St. Gallen auch alle Eigentümer, die nicht davon profitieren, dass bei sehr langer Besitzesdauer auf den amtlichen Verkehrswert vor 20 Jahren statt vor 50 Jahren abgestellt werden kann. Für die Änderungen ergibt sich die nachstehende Übersicht:
Regelung Besitzesdauerrabatt (Art. 141 StG)
bisher | ab 2021 | |
Beginn: mehr als | 15 Jahre | 15 Jahre |
Rabatt pro volles weiteres Jahr 1 | 1,5% | 1% |
max. Rabatt 1 | 30% | 20% |
erreicht nach 1 | 35 Jahre | 35 Jahre |
1 ohne Regelung für Wohneigentum, das mehr als 15 J. selbst bewohnt wurde |
Berechnung der Anlagekosten in besonderen Fällen (Art. 139 StG)
bisher | ab 2021 | |
Basis: Steuerwert vor
+ seither getätigte Investitionen |
50 Jahre | 20 Jahre |
Nachweis Investitionen | Möglichkeit Neuwert-
vergleich |
effektiv |
Besitzesdauerrabatt | 30% | 5% |
Ob die bisherige oder die neue Regelung für einen Grundeigentümer bezüglich eines bestimmten Objekts günstiger ist, muss konkret berechnet werden. Günstiger ist die neue Regelung wohl für den Verkäufer eines unüberbauten Grundstücks, das in der Zeit zwischen 1970 und 2000 neu eingezont wurde mit einer amtlichen Neuschätzung als Bauland spätestens in 2000. Eigentümer, die heute unmittelbar vor einem Verkauf stehen, haben in diesem Punkt auch noch einen Handlungsspielraum. Ob das alte oder das neue Recht anwendbar ist, richtet sich nach dem Zeitpunkt des Eigentumübergangs im Grundbuch. Wird ein Kaufvertrag noch in 2020 öffentlich beurkundet, erfolgt aber der Grundbucheintrag erst in 2021, so gilt das neue Recht. Für die rechtliche Begründung der gegenseitigen Verpflichtungen von Käufer und Verkäufer genügt die öffentliche Beurkundung des Kaufsvertrags.